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Yannick Zehnder (24) verlässt den EV Zug und spielt ab der kommenden Saison für die ZSC Lions. Als Grund wurde mehrfach kolportiert, dass der Stürmer gerne mehr Verantwortung übernehmen will und eine Luftveränderung wünscht. Gerade deshalb stösst sein Wechsel zu den Lions, welche ohnehin schon einen Top-Kader besitzen, auf eine gewisse Verwunderung. Und was bedeutet der Abgang für den EV Zug?

Yannick Zehnder verlässt den EV Zug zum Saisonende
PostFinance/KEYSTONE/Patrick B. Kraemer

Nun ist es offiziell: Yannick Zehnder spielt ab der kommenden Saison 2023/24 nicht mehr für den EV Zug. Da es trotz auslaufenden Vertrages lange still um ihn blieb, musste man mit einem Abgang rechnen. Mit dem vielseitig einsetzbaren Stürmer verliert der EVZ nicht nur einen talentierten Spieler, sondern auch ein Eigengewächs: Zehnder stammt aus Zug und hat beim EVZ sämtliche Juniorenstufen durchlaufen. Abgesehen von einer Saison in Nordamerika (Saison 2015/16) spielte Zehnder ausschliesslich in der Zuger Organisation. Auch seine Familie ist tief mit dem EV Zug verwurzelt. Sein Grossvater Robert Zehnder war von 1969 bis 1976 Präsident, sein Vater Hardy Zehnder durchlief beim EVZ diverse Juniorenstufen und spielte in den Saisons 1984/85 und 1987/88 für die erste Mannschaft.

Ab der kommenden Saison geht der Zuger für den letztjährigen Finalgegner ZSC Lions auf Torjagd, wo er einen Zweijahresvertrag erhält. Die Zuger hätten ihr Eigengewächs gerne behalten: «Wir haben viele offene und ehrliche Gespräche mit Yannick geführt. Natürlich hätten wir ihn auch nächste Saison gerne beim EVZ gesehen, doch schlussendlich wurden wir uns einig, dass ihm eine Luftveränderung für seine Weiterentwicklung guttun würde. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Yannick in ein paar Jahren wieder nach Zug zurückkehrt», wird General Manager Reto Kläy in der Medienmitteilung des EVZ zum Zehnder-Abgang zitiert. Nicht nur die Worte von Kläy sind ein Zeichen der Wertschätzung, sondern auch die Tatsache, dass die Zuger einen Abgang auf diesem Weg kommunizieren. Das gab es bei verdienten Spielern – welche wie Raphael Diaz oder Santeri Alatalo zu einem anderen Verein wechseln – kaum.

Warum die ZSC Lions?

Das dürfte für viele EVZ-Fans die Hauptfrage sein. Dass Zehnder den Verein verlässt und sich dann dem direkten Titelkonkurrenten anschliesst, ist im doppelten Sinne eine bittere Geschichte. Dabei stösst es in Fankreisen nicht primär auf Unverständnis, dass Zehnder eine Luftveränderung wünscht, sondern seine Clubwahl. Auf den ersten Blick mag die Wahl von Zehnder sehr überraschend wirken. Die ZSC Lions haben mitunter eines der besten Kader der gesamten Liga und viele hochkarätige Spieler unter Vertrag. Allerdings hat sich bei den Lions eine interessante Chance ergeben, da der Vertrag mit dem ehemaligen Nationalspieler Simon Bodenmann (34) nicht verlängert wird. Bodenmann hat in der laufenden Saison bislang acht Tore erzielt, insgesamt 14 Skorerpunkte gesammelt und bildet meist zusammen mit Center Juho Lammikko (20 Skorerpunke) und Denis Hollenstein (16 Skorerpunkte) die torgefährliche dritte Sturmformation. Ausserdem spielt Bodenmann regelmässig im Powerplay.

Natürlich ist nicht bekannt, welche Rolle die ZSC Lions Yannick Zehnder versprochen haben. Sollte man ihm gegenüber aber die Absicht erklärt haben, ihn für die Bodenmann-Position einzuplanen, so scheint zumindest die Verlockung logisch. Allerdings bringt dies selbsterklärend viel Druck mit sich. Der ZSC ist nicht gerade dafür bekannt, wirklich viel Geduld zu bewahren. Bringt er seine Leistungen nicht, wird er in der Hierarchie nach hinten gereicht werden. Das Kader der Lions ist genügend gut besetzt.
Doch gerade weil er sich für den ZSC entschieden hat, stösst dieser Wechsel auf viel Unverständnis. In den Medien wurde mehrfach kolportiert, dass Zehnder gerne mehr Verantwortung übernehmen möchte. Bei den Lions dürfte sich dieses Unterfangen als schwierig erweisen. Mit Spielern wie Sven Andrighetto (29), Denis Hollenstein (33) oder Lucas Wallmark (27) sind die Lions bereits hochkarätig besetzt. Dazu kommt, dass sich mit Willy Riedi (24) gerade ein eigener Junior mit vergleichbarer Spielanlage anschickt, sich als regelmässiger Skorer zu etablieren – ähnlich wie Zehnder in den letzten Jahren beim EVZ. Dazu herrscht bei den Importspielern noch viel Unklarheit, von den fünf Importstürmern besitzt nur Lucas Wallmark einen weiterlaufenden Vertrag. Es ist also noch unklar, wie sich die Zürcher Offensive in der kommenden Saison wirklich zusammensetzen wird.

2022 2023 Yannick Zehnder ZSC

Letztes Jahr noch Finalgegner, ab nächster Saison Teamkollegen: Yannick Zehnder und Sven Andrighetto
PostFinance/KEYSTONE/Christian Merz

Abschliessend kann man sagen, dass es den «Prime-Zehnder» aus der Saison 2020/21 brauchen wird, damit der Flügelstürmer bei den Lions eine wichtige Rolle spielen kann. Möglicherweise wird Zehnder seine Kritiker abstrafen und bei den Lions tatsächlich den nächsten Schritt gehen. Time will tell!

Wie ersetzt der EVZ Yannick Zehnder?

Aus Zuger Sicht ist es natürlich die wesentlichere Frage, wie General Manager Reto Kläy den Zehnder-Abgang kompensieren wird. Ob es eine «interne» Lösung gibt? Hierfür käme Dario Allenspach (20) in Frage. Der Stürmer befindet sich in seiner zweiten kompletten NL-Saison und besitzt dennoch bereits viel Erfahrung (103 NL-Spiele). Ausserdem hat er zu Beginn der Saison 2021/22 bereits bewiesen, dass er auch eine offensivere Rolle ausfüllen kann. In der Paradelinie zeigte er neben Jan Kovar starke Leistungen und konnte auf sich aufmerksam machen. Ausserdem spielte er auch bereits als Center und würde somit jene flexible Einsatzbarkeit mitbringen, welche bereits Zehnder besitzt.

Als weitere Optionen bieten sich Luca De Nisco (22) und Tim Muggli (19) an. De Nisco zeigte letzte Saison als Flügelspieler in der vierten Linie konstant gute Leistungen und überzeugte auch in den Playoffs. In dieser Saison war er bislang oft 13. Stürmer oder gar überzählig und erhielt deshalb wenig Eiszeit. Ein Ausrufezeichen konnte er bislang nicht setzen. Das gelang dafür Tim Muggli, welcher bislang je ein Spiel in der National League und der Champions Hockey League bestritten. Bei seinem CHL-Auftritt überzeugte er mit einem unbeschwerten Auftritt und bei seinem NL-Debüt sammelte er sogleich einen Skorerpunkt (Assist). De Nisco besitzt allerdings einen auslaufenden Vertrag, womit sein Verbleib noch gar nicht sicher ist. Muggli seinerseits ist Captain der Zuger U20 und gemäss Eliteprospects noch bis 2024 an die EVZ-Organisation gebunden, allerdings noch ohne Profivertrag.

Mit Bezug auf die Kadertiefe ist aber auch eine «externe» Verpflichtung denkbar. Allerdings sind da mittlerweile viele potenzielle Kandidaten vom Markt, weil sie entweder den Verein gewechselt oder den Vertrag verlängert haben. Die Verpflichtung eines Routiniers wie Simon Bodenmann oder Matthias Rossi (31) passt nichts in Zuger Konzept und ist daher tendenziell auszuschliessen.
Eine interessante Option könnte Ian Derungs (22) vom HC Ajoie sein. Derungs führte in der letzten Saison als Topskorer den HC Thurgau in den Playoff-Halbfinal der Swiss League und verbuchte in der Qualifikation und den Playoffs kombiniert insgesamt 70 Skorerpunkte in 61 Spielen. Eine starke Ansage für einen 21-jährigen Stürmer!
Auf diese Saison hin wagte er den Sprung in die National League und schloss sich mit einem Einjahresvertrag dem HC Ajoie an. Dort erlebt der ältere Bruder von Kloten-Stürmer Keanu Derungs (20) bislang ein Seuchenjahr. Zunächst verpasste er den Saisonstart aufgrund einer Knieverletzung und nun fällt der Stürmer erneut aus. Deshalb bestritt Derungs für den HCA erst elf Spiele (zwei Assists). Es ist durchaus denkbar, dass er in Zug neben stärkeren Mitspielern sein Potenzial besser entfalten kann als im sportlich schwierigen Umfeld von Ajoie.

Eine etwas gewagtere Lösung könnte Guillaume Maillard (24) vom Lausanne HC sein. Wie Zehnder kann Maillard sowohl als Center als auch als Flügelspieler eingesetzt werden und ist im selben Alter. Wie bei Zehnder stagnierte seine Entwicklung zuletzt ebenfalls - beim LHC ist Maillard aussen vor und hat neben seiner Leihe zum EHC Biel (13 Spiele, vier Skorerpunkte) erst ein Spiel für den LHC bestritten. Maillard besitzt zwar nicht die gleichen Skorerqualitäten wie Zehnder, hat sich aber sowohl in Lausanne als auch insbesondere bei Genf als zuverlässiger Zwei-Weg-Stürmer bewiesen. Patrick Fischer machte ihn in der Saison 2019/20 sogar zum Nationalspieler und bot ihn für den Deutschland-Cup auf. Seine statistisch beste Saison war die Saison 2021/22 (acht Skorerpunkte in 37 Spielen). Maillard ist ein anderer Spielertyp als Zehnder, allerdings besitzt der EVZ genügend offensive Durchschlagskraft. Sollte Klingberg verlängern oder mindestens ebenbürtig ersetzt werden, ist der EVZ auf den Flügelpositionen mit Dario Simion, Grégory Hofmann, Peter Cehlarik, Lino Martschini, Fabrice Herzog und einem weiteren Importspieler bereits sehr gut aufgestellt. Warum also nicht einen polyvant einsetzbaren Teamplayer für die dritte oder vierte Linie holen?
Die Möglichkeiten für einen externen, passenden Transfer sind – mit Blick auf die offiziellen Vertragslaufzeiten – begrenzt. Möglicherweise findet Kläy aber wie im Fall Elia Riva einen Spieler, welcher eine Klausel in seinem Vertrag hat und deshalb einen Transfer anstreben kann.

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