NHL Observer

Sie sind Mentore, Vorbilder und Leader: Auch in der „jungen NHL“ haben routinierte Stürmer noch einen Impact und ihren Platz.

Die Veteranen haben auch in einer NHL, die bezüglich Tempo, Athletik und Umsetzung immer mehr auf die schnellen und jungen Spieler ausgerichtet ist, ihren so genannten USP (= Alleinstellungsmerkmal, besonderen Wert). Speziell in der Verteidigung und bei den Goalies. Etwas schwieriger mitzuhalten wird es zunehmend für die Stürmer älteren Kalibers. Und dennoch haben auch heuer wieder mehrere eine wichtige Schlüsselrolle in ihren Teams.

Von wegen „altes Eisen“

Von wegen „altes Eisen“ - Nach wie vor haben die Mid- und End-Dreissiger in der NHL einige Mehrwerte zu bieten: Zum Beispiel Routine, Leadership, Erfahrung im Umgang mit schwierigen Situationen (on- und off-ice) und Spielverständnis sowie taktisches Verständnis. Manche gehen auch mit Beispiel voran und zeigen den „Jungen“ noch immer, wo der Hammer hängt bezüglich Engagement und was einen „echten“ NHL-Vollprofi ausmacht. Für manche Stürmer mit der „Gnade der frühen Geburt“ im Vergleich zu den Mitkonkurrenten um einen Stammplatz wird es bezüglich Dynamik und Schnelligkeit etwas schwieriger, aber sie punkten mit anderen Qualitäten. Hier eine Auswahl an Routiniers, die auch 2021 noch für ihre Mannschaften einen enormen Mehrwert darstellen – und lasse hierbei ganz bewusst Mega-Stars wie Sidney Crosby, Evgeni Malkin oder Alex Ovechkin aussen vor.

Ein Paradebeispiel für eine gut gelungene Kader-Balance zwischen Jugend und Erfahrung sind die Toronto Maple Leafs. Dominant aufspielende junge Stars profitieren in vielerlei Hinsicht von routinierten Teamkollegen wie Joe Thornton, Jason Spezza und Wayne Simmonds. „Big Joe“ ist und bleibt diesbezüglich betreffend Spielverständnis, Passgenauigkeit und Stellungsspiel das Mass aller Dinge. Auch Jason Spezza – oft im Überzahlspiel als eine Art Quarterback eingesetzt – erkennt die Spielsituationen und ist einer der Mentoren für die Jungstars. Bei Wayne Simmonds weiss man, was von ihm zu erwarten ist: Er ist der Störenfried vor dem Slot und einer der unangenehmsten Gegenspieler der Liga. Und besonders wertvoll als „Screen-Spieler“ im Powerplay.

Leadership, Mentoring, verlängerter Arm der Coaches...

Wie Simmonds ist auch Corey Perry in Montreal einer, der mit Beispiel voran geht und die Schmerzen vor dem Slot „frisst“. Wie eh und je positioniert sich der ehemalige Stanley Cup-Sieger und Goldmedaillengewinner bei den Olympischen Spielen in der Zone, wo es weh tut. Der 35-jährige hat, im Gegensatz zu Simmonds, sogar noch seine Torgefährlichkeit beibehalten. In Montreal spricht man bei ihm von einem „Bargain“ aufgrund seines Vertrags und dem Kosten-/Nutzen-Verhältnis. Er ordnet sich ein in jede Rolle, die ihm zugewiesen wird, ist ein Vorbild und gewissermassen ein zweiter Brendan Gallagher im Team. Perry knüpft ganz klar an seine guten Playoffs 2020 an, als er mit den Dallas Stars bis in die Stanley Cup-Finalserie vordrang.

Routiniers wie Corey Perry bringen nicht nur eine vorbildliche Einstellung, das taktische Verständnis und die Erfahrung mit. Sie sind oft auch ehemalige Stanley Cup-Sieger, die wissen, worauf es in der „Crunch Time“ der Saison und in den einzelnen Partien ankommt und, die speziell in den Playoffs ihren Wert noch deutlicher untermauern. So kann man auch Eric Staal – neu bei den Habs - und seinen Bruder Jordan Staal (Carolina, ehemalige Pittsburgh-Legende) in der Bewertung der Leistung einstufen.

Nicht nur die Wirkung auf, sondern eben auch neben dem Eis und in der Kabine (Leadership, Mentoring und so weiter) spielen eine bedeutende Rolle und haben einen Impact auf die ganze Mannschaft. So verkörpern beispielsweise Dustin Brown und Anze Kopitar (L.A.), Travis Zajak (vormals New Jersey Devils, jetzt ganz neu bei den New York Islanders), Zach Parise (Minnesota), Nate Thompson (Winnipeg) oder Ryan Getzlaf (Anaheim), Valtteri Filppula (Detroit), Phil Kessel (Arizona, vormals Pittsburgh Penguins), Andrew Cogliano (Dallas) und vor allem Patrice Bergeron (Boston) – um nur einige zu nennen - eine Schlüsselrolle innerhalb der Mannschaft. Sie sind in der Teamhierarchie als Leader positioniert (und haben somit auch eine clubinterne Lobby), gelten noch immer als Leistungsträger und „Difference Maker“, haben das Gespür für die besonderen Situationen und das Momentum oder fungieren als verlängerter Arm der Coaches. Dies trifft natürlich auch auf Joe Thornton und Jason Spezza in Toronto, Paul Stastny, Mathieu Perreault und Blake Wheeler in Winnipeg, Joe Pavelski in Dallas oder auf Patrick Marleau in San Jose zu – auch wenn diesen Ausnahmespielern ein Stanley Cup-Ring noch fehlt.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch beim Slapshot sowie beim Top Hockey und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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