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Der „Masterplan“ der letzten drei Saisons hat zu zwei Stanley-Cup-Triumphen in Folge geführt, nachdem man 2019 bereits als Favorit auf den Titel eine schmerzliche Playoff-Erstrunden-Blamage hatte schlucken müssen. Nun werden die Tampa Bay Lightning ihren „Masterplan“ weiter führen mit den meisten Topstars, aber ohne einige sehr wichtige Schlüsselspieler.

Dass General Manager Julien BriseBois ein gewiefter Stratege ist, wissen alle in der NHL. Er hat erneut im Sommer ganze Arbeit geleistet. Der Montréalais ist ein Ziehkind von Steve Yzerman und hatte bereits 2019 die richtigen Lehren aus dem bitteren Erstrunden-Playoff-Aus vor drei Saisons gezogen. BriseBois plant immer mittelfristig und hat die Salärobergrenze im Griff. Ausserdem konnte er auch 2021 wie zuvor einige Spieler, die in den Playoffs ihren ohnehin schon grossen Wert steigern konnten, äusserst gewinnbringend weiter transferieren: Barclay Goodrow und Blake Coleman waren wichtige Spieler auf dem Weg zum Stanley-Cup-Erfolg. So auch Yanni Gourde, den man im Expansion Draft hat nach Seattle ziehen lassen müssen. Gourde darf man sicherlich als den nachhaltigsten Abgang des Sommers bezeichnen. Tyler Johnson ist ebenfalls nicht mehr ein Lightning. In Gewissermassen die gesamte dritte Sturmlinie liess man also ziehen – eine der wohl besten und effizientesten in der ganzen Liga. Diese „Moves“ waren wohl geplant – einerseits wegen des Handlings des Salary Cap wie auch aufgrund der mittelfristigen Ausrichtung in der Kaderplanung. Schliesslich sollen Mathieu Joseph, Alex Barre-Boulet, Taylor Raddysh, Boris Katchouk und besonders Ross Colton eine neue Etappe als Stammspieler vollziehen.

Man hat jedoch nicht nur in den Jungbrunnen investiert, sondern auch zwei erfahrene und kämpferisch starke Veteranen ins Team geholt: Corey Perry und Pierre Edouard Bellemare werden den Gegnern „unter die Haut“ gehen, so wie es jeweils auch Pat Maroon macht – der einzige, der je drei Stanley-Cup-Siege in Folge feierte mit unterschiedlichen Teams. Mit Maroon konnte eine Vertragsverlängerung vereinbart werden.

In der Defensive musste man zwar David Savard nach Montreal ziehen lassen, aber der junge Cal Foote (22) – Sohn des legendären Adam Foote – ist nunmehr als fixer Top-Six-Starter vorgesehen. Die Defensivreihen sind nach wie vor gut bestückt, von Jan Rutta und Erik Cernak wird auch eine neuerliche Steigerung als Partner von Victor Hedman beziehungsweise Ryan McDonagh erwartet. Cal Foote und Mikhail Sergachev sind mit Sicherheit eines der spannendsten jungen Verteidigerpaare der NHL.

Fazit: Wie schon die letzten Jahre zuvor vertraut man in Tampa weiterhin auf den bewährten Mannschaftskern und macht vor und während der Saison einige punktuelle Anpassungen, die jedoch immer Wirkung zeigen. Die strategische Ausrichtung bei der Kaderplanung bleibt somit mittelfristig gleich. „Schnelligkeit und Unberechenbarkeit“ ist – wie auch in den Jahren zuvor - noch immer das Motto der Lightning. Im Normalfall und ohne grosses Verletzungspech müsste Jon Coopers Mannschaft auch heuer wieder zu den Favoriten um den Titel gehören. Die Mannschaft ist zusammengewachsen und die Automatismen stimmen auch heuer wieder. Im taktischen Bereich profitiert Chefcoach Jon Cooper von der Polyvalenz einiger Schlüsselspieler – auch wenn Gourde und Johnson nicht mehr zur Verfügung stehen. Gegen Jon Coopers Team zu spielen ist nicht einfach. Taktisch ist das Team diszipliniert, ohne dass es an Kreativität mangelt. Die Verteidiger spielen einen hervorragenden ersten Pass aus der eigenen Zone. Besonders unter Berücksichtigung der Schnelligkeit der Stürmer und des hervorragenden Umschaltspiels (eines der schnellsten der Liga in der Mittelzone) ist dies eine starke Waffe. Der Konkurrenzkampf innerhalb der Mannschaftsteile ist gegeben, aber nicht übermässig gross. Es macht den Anschein, als ob fast jeder auf seiner Lieblingsposition agieren darf, was gewisse Friktionen innerhalb der Mannschaft ausschliesst.

** Der Autor ist Inhaber einer Marketingagentur, Marketingdozent und erfahrener Sportvermarkter.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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