NHL Observer

In der Provinz Québec - speziell in der Region Québec City – kippt die Stimmung gegenüber der NHL. Was derzeit mit den Arizona Coyotes geplant wird (mit Support und Absolution durch die NHL) macht die Québecois wütend. Wie auch das immer wieder aufflackernde Gerücht einer weiteren Expansion gen Süden (Houston?). Was besonders kritisiert wird: Eine latent unfaire Marktpotenzial-Beurteilung und die fehlende Berücksichtigung der starken Customer Journey bei einer Wiederaufnahme der Québec Nordiques in die NHL-Familie.

In Kanada sorgte man sich einige Tage bezugnehmend auf den NHL-Spielbetrieb und den Grundsatzentscheiden der Führungsgremien. Einerseits stand im Raum, ob man aufgrund der in Kanada und den USA unterschiedlichen Corona-Pandemiepolitik Massnahmen ergreifen sollte. So wurde spekuliert, ob einige der Heimspiele der in Kanada beheimateten Clubs allenfalls in benachbarten US-Spielstätten durchgeführt werden sollten oder ob der grosse Draft-Event anderswo als in Montréal über die Bühne gehen soll. Diese Diskussionen sind nunmehr aufgrund von neu beschlossenen Covid-Massnahmen-Lockerungen in Kanada ad acta gelegt.

Unterschätztes Marktpotenzial

Andererseits sorgte erneut wieder der Fall Arizona für Aufsehen und Unverständnis. Besonders in Québec City, wo seit Jahren eine hochmoderne Eishockeyarena steht und eine gesicherte Fanbasis vorhanden wäre. Gewiss, der Markt ist potenziell kleiner als jener von Arizona, aber das Eishockeyinteresse und die Hockeytradition wäre enorm. Zudem würde auch die gesamte Umgebung Montréal mitprofitieren und auch gen Norden (Region Trois Rivières) gäbe es eine riesige Begeisterung für die Nordiques (1972-1995 und paradoxerweise bereits in der Folgesaison des Umzugs nach Denver 1996 als Colorado Avalanche Stanley-Cup-Sieger). Die Nordiques waren der ewige Rivale der Canadiens de Montréal innerhalb der gleichen Provinz in den 70er, 80er und 90er Jahren. Ausserdem: Dieser Markt ist beileibe nicht kleiner als beispielsweise jener in Winnipeg. Aber die Geschichte wiederholt sich immer wieder: Québec tut alles für eine Rückkehr in die NHL und um die Entscheidungsträger zu überzeugen. Aber die Erschliessung ganz neuer Märkte haben wohl Priorität. So wie auch die Rettung gescheiterter Märkte. Die NHL will sich nach dem Eingeständnis des Atlanta-Debakels ein solches nicht nochmal leisten.

Utopie, Hoffnung oder realistische Einschätzung?

So versuchen einmal mehr die NHL-Teambesitzer und Commissioner Gary Bettman mit allen Mitteln die Arizona Coyotes in der Liga zu halten. Das Unterfangen ist schon seit Jahrzehnten schwierig und wurde es zuletzt noch mehr, als bekannt wurde, dass die Yotes aus der Gila Arena in Glendale ab dem kommenden Sommer ausziehen müssen. Mit der Stadt Glendale konnte kein Abkommen erzielt werden. Nun soll eine neue Location gefunden werden und in der Zwischenzeit in einer kleinen Multifunktionsarena (Kapazität 5000 Zuschauer) der Arizona State University ASU gespielt werden. Dies, bis man in der Region Tempe ein neues Stadion errichten könne. „Ein solcher Plan kann sehr gut aufgehen. Wir hatten das ja auch schon mal. Arizona ist ein sehr interessanter Markt und ich bin überzeugt, dass wir dort Erfolg haben werden mit dem Produkt Coyotes“, sagte Gary Bettman anlässlich einer Pressekonferenz in Las Vegas während des All-Star Weekend. Interesse des NBA-Teams Phoenix Sun für eine gemeinsame Arena sollte ebenfalls vorhanden sein. So wurde spekuliert, aber danach von Seiten des NBA-Teams wieder verworfen.

Äpfel verglichen mit Birnen?

Gewiss, der Plan hatte schon in einzelnen Fällen funktioniert mit einem vorübergehenden Umzug in eine kleinere Arena. Die San José Sharks beispielsweise spielten vorübergehend im Cow Palace von 1991 bis 1993. Aber sie waren ein Expansionsteam, das sehr schnell eine treue Fanbase erhielt und im neuen Stadion dann so richtig durchstartete. Auch wirtschaftlich und bezüglich Kundenbindung. Das kann man von den Coyotes nun wahrlich nicht behaupten.

Wo ist die Customer Journey?

Dazu käme noch ein wichtiger Aspekt, der eher Anlass gäbe zur Skepsis als zum Optimismus: Nachdem es im Raum Phoenix/Glendale nicht gelang, eine ausreichende NHL-Kundenbindung zu erlangen, müsste man dieses schwierige Marketingunterfangen auch im Raum Tempe neu aufgleisen. Keine leichte Aufgabe in einem Markt, wo der Eishockeysport in der breiten Bevölkerung kaum Interesse erzeugt. Dies ist eines der vielen Themen, die in Kanada die Eishockey-Volksseele zum Brodeln bringt. Verständlicherweise...

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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Was passiert hinter den Kulissen der NHL und was steckt hinter den Geschichten, die uns bewegen? NHL Insider Joël Ch. Wuethrich öffnet für SHN sein NHL Netzwerk.