NHL Observer

In den Playoffs wurde deutlich, warum Cale Makar im Duell um die Norris Trophy Roman Josi schliesslich knapp übertrumpfte. Auch wenn die Playoff-Leistungen in der Beurteilung der Auszeichnung zu den besten Einzelspielern der Regular Season jeweils nicht mit einfliessen.

Cale Makar wurde zum Playoff-MVP ernannt und gewann somit die Conn Smythe Trophy - als erst vierter Verteidiger in den letzten 20 Jahren. Diese Auszeichnung ist verdient, denn Cale Makar war nicht nur als Offensivverteidiger für seine Mannschaft wertvoll.

Die Meinungen waren nach der Wahl Cale Makars zum Sieger der Norris Trophy noch geteilt. Roman Josi hatte mehr Votes auf dem ersten Platz. Und viele meinten, dass es für den Schweizer schwieriger war, diese Dominanz zu zelebrieren, weil Makar bessere Mitspieler an seiner Seite hatte. Aber ein Aspekt sprach schliesslich doch für Makar: Er war einer jener Verteidigerstars, der offensichtlich nicht nur eine herausragende Saison zeigte, sondern auch derjenige mit dem grössten Leistungsschub. Speziell bezugnehmend auf seine Entwicklung im defensiv-taktischen Bereich. Cale Makar ist nämlich nicht nur auf seine Offensivqualitäten reduzierbar.

Nachtrag auf das Duell in den Playoffs

In den Playoffs zeigte sich dann auch, was alle an Makar auch in der regulären Saison so schätzen. Ja, gewiss, unglaubliche 96 Skorerpunkte hat Roman Josi in der regulären Saison gesammelt. Das waren zehn mehr als Cale Makar, der eine ebenfalls grossartige Offensivbilanz vorweisen kann. Doch in den Playoffs gelten andere Regeln. Und hier hatte Cale Makar aufgrund der Teamzugehörigkeit einen Vorteil im Duell mit dem „Preds“ Captain.

Im Direktvergleich war der 23-jährige Kanadier im Vorteil. Dies sowohl bezüglich Skorerpunkte wie auch in der positiven persönlichen Plus-Bilanz. Auch wenn Roman Josi der eindeutige Leader seiner „Preds“ war, so kam er in den Playoffs nur in den Powerplay-Situationen so richtig zum Abschluss. Cale Makar indessen war öfters in der gefährlichen Zone anzutreffen, hatte somit mehr Tormöglichkeiten und erzielte sogar ein Game Winning-Goal in der Overtime. "Ich habe noch nie einen Verteidiger gesehen, der so dominiert wie Cale", sagte sein Teamkollege Nathan McKinnon. Kommt hinzu, dass Cale Makar mehr Minuten in Überzahl auf dem Eis war als sein Kontrahent Josi, der zudem noch in Unterzahl häufiger im Einsatz ist als Makar. Beide generierten um die 26 Spielminuten pro Playoff-Partie. Aber Makar durfte öfter in einer offensiveren Situation agieren als der eigentlich offensiv genauso effiziente und spielerisch ebenso herausragende Roman Josi. Kein Wunder, hatten die „Preds“ weitaus mehr Unterzahlminuten erdulden müssen als die „Avs“. Auch im Bereich der Effizienz der Special Teams verbuchen die „Avs“ sowohl im Power- wie auch Boxplay die deutlich besseren Quoten.

Captain Landeskog: „Findet einen wie Cale Makar“

So waren die Playoff-Leistungen Makars auch eine Bestätigung seiner Norris-Auszeichnung. Als Captain Gabriel Landeskog im Siegerinterview nach Spiel 6 der Finalserie gefragt wurde, was das Erfolgsrezept wäre, um den „Avs“ 2022 nachzueifern, war seine Antwort nach kurzer Überlegung folgende: „Findet irgendwo auch einen Cale Makar.“ Das sagt schon sehr viel aus über die Wertschätzung, die der 23-Jährige nunmehr erfährt. Diese Wertschätzung seiner Teamkollegen und Gegner hat er sich nicht nur über seine Spielintelligenz und mit seinen herausragenden läuferischen und technischen Fähigkeiten erarbeitet. Nein, er ist auch als Verteidiger in dieser Saison zu einem kompletten Verteidiger gereift. Sowohl im spieltaktischen und spielerisch-ethischen Aspekt aber auch im Bereich seiner menschlichen Entwicklung und persönlichen Reife. Ihm wird nachgesagt – und es wird auch von Mitspielern bestätigt – dass er sich jederzeit, auf und ausserhalb des Eisfeldes, sehr mannschaftsdienlich verhält.

Eine imposante Entwicklung in allen Aspekten des Spiels

Eine Szene in den Playoffs unterstreicht, wie Cale Makars Spiel- und Arbeitsweise sich entwickelt hat: In der Halbfinalserie gegen die Edmonton Oilers musste er gegen den wohl schnellsten und im Eins-zu-Eins am schwersten zu kontrollierenden Spieler der NHL – Connor McDavid – ins Backchecking. McDavid war in voller Fahrt und im Normalfall kocht er da fast alle mit seinem Puckhandling und dem Speed ab. Nicht aber Cale Makar, der nicht nur in der Rückwärtsbewegung sehr schnell ist, sondern ein perfektes Stellungsspiel beherrscht. McDavid wurde in voller Fahrt der Puck von Makar „weg gepiched“. Für viele Taktikfüchse und Eishockeykenner war diese Szene bezeichnend und genauso aussagekräftig wie alle schönen Alleingänge und Spielzüge Makars. Diese Intangibles und die erweiterten Statistiken waren genauso entscheidend in der Wahrnehmung seines Wertes wie seine statistischen Werte (acht Tore, 21 Assists, bester Verteidiger nach Punkten und Drittbester hinter seinen Teamkollegen Bowen Byram und Erik Johnson bei der Plus-/Minus-Statistik sowie Bester zusammen mit Adam Fox bei den Powerplay-Punkten).

Der Junioren-Weltmeister 2018 (er war ausgerechnet in jenem Team, in welchem derzeit Untersuchungen laufen wegen eines groben sexuell motivierten Fehlverhaltens) hat sich Jahr für Jahr in allen Teilbereichen seines Spiels gesteigert. Es war in den letzten drei Saisons jeweils ein Steigerungslauf. Nun wurde er dafür mit dem Stanley-Cup-Sieg, mit der Norris Trophy und der Auszeichnung als Playoff-MVP belohnt.

Wertschätzung zeigt sich auf vielen Ebenen

Die hohe Wertschätzung erhält Roman Josi gerade auch jetzt auf einem anderen Weg. Der Norris Trophy-Sieger 2020 und Runner Up 2022 erfährt eine solche im Zuge der Vertragsverhandlungen zwischen den Predators und Teamkollege Filip Forsberg. Dieser möchte mindestens so viel verdienen wie Matt Duchène und Ryan Johansen (8 Mio. USD jährlich). Die „Preds“ verhandeln mit Forsberg, wollen aber unbedingt, dass Roman Josi (9 Mio.) der Topverdiener im Team bleibt. Das würde – so betont General Manager David Poile – die Hierarchie im Team und den Wert widerspiegeln.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

NHL Observer

Was passiert hinter den Kulissen der NHL und was steckt hinter den Geschichten, die uns bewegen? NHL Insider Joël Ch. Wuethrich öffnet für SHN sein NHL Netzwerk.