Das Ambrì-Fieber und seine Nebenwirkungen

Es war zweifellos eine der wichtigsten Fragen, die es für Sportchef Paolo Duca auf nächste Saison zu klären gibt bzw. gab. Nun ist es fix und Ambrì scheint auf der Torhüterposition wieder Kontinuität zu schaffen. Conz könnte ein wichtiges Mosaiksteinchen sein, wenn es darum geht den Klub in eine erfolgreiche Zukunft zu führen.

{sitelinkxoff}Wenn etwas in den teilweise chaotischen letzten Jahren in Ambrì konstant war, dann war es die Besetzung der Goalieposition. Von 2005 bis 2012 hütete Thomas Bäumle das Leventiner Tor. Dann kam Sandro Zurkirchen aus Zug und blieb bis 2017 vier Jahre bevor er weiter nach Lausanne zog. Ambrì fand aber ebenfalls im Westen der Schweiz Ersatz, indem sie Benjamin Conz von Fribourg-Gottéron verpflichteten. Diese gaben ihn ab, weil sie davon ausgingen, dass sie ihn neben Berra nicht mehr gebrauchen können. Berra bekam dann aber das Angebot aus Anaheim, das er natürlich annahm. Plötzlich stand Fribourg statt mit zwei, mit keinem Stammtorhüter da. Fribourg musste umdisponieren und schnell handeln. Ambrì konnte froh sein, Conz verpflichtet zu haben. Er war zu diesem Zeitpunkt wohl die beste verfügbare Option auf dem Schweizer Markt. Mit fast 90% Fangquote spielte er eine ziemlich gute Saison 2017/18 und hielt sein Team oft im Spiel. In den Playouts war Conz herausragend und ein wichtiger Bestandteil des am Ende klaren Ligaerhalts.

Gegenüber der letzten Saison konnte sich in der laufenden Spielzeit die ganze Mannschaft inklusive Conz nochmals massiv steigern. Er steht momentan bei einer Abwehrquote von 91.9%. Besser war er auf Klubebene nur in der Saison 2013/14, als er Fribourg-Gottéron auf den zweiten Qualifikationsplatz und in die Playoff-Halbfinals führte. Im Viertelfinal schalteten die Fribourger damals übrigens Ambrì in vier Spielen aus. Verständlich, dass Paolo Duca Conz behalten wollte und neuerlich Kontinuität auf dieser gerade für Ambrì so wichtigen Position schaffen will. Hätte man Conz ziehen lassen müssen, wäre es sehr schwer geworden auf dem delikaten Schweizer Goaliemarkt eine Alternative zu finden. Es ist davon auszugehen, dass die Verhandlungen nicht allzu lange gedauert haben. Conz will sich mit guten Leistungen und in Ruhe wieder für Aufgaben in der Nationalmannschaft anbieten. Dazu scheint das momentane Umfeld in der Leventina wie gemacht. Entsprechend moderat dürften auch die Salärforderungen gewesen sein. Der Vertrag seines Backups Daniel Manzato läuft Ende Saison aus, enthält aber die Option einer Verlängerung um ein weiteres Jahr. Es ist davon auszugehen, dass diese gezogen wird. Andernfalls wird Manzato nächste Saison kaum mehr National League spielen. Sollte Manzato 2020 seine Karriere beenden, dürfte Ambrì Connor Hughes von den Ticino Rockets nachziehen und versuchen, ihn für die National League aufzubauen.

Biancoblù haben Problem gelöst, Bianconerì zittern

Während Ambrì seine Torhüterfrage geklärt hat, pokert talabwärts der HC Lugano. Verpokern sie sich? Es ist eine schon fast sichere Tatsache, dass Elvis Merzlikins seinen Vertrag nicht verlängern und in die NHL gehen wird. Ihn adäquat zu ersetzen ist eine enorme Herausforderung. In der ganzen Liga lassen nur die Lakers mehr Torschüsse zu, als der HC Lugano. Trotzdem weist Merzlikins die sechstbeste Fangquote aller NL-Stammgoalies auf. An ihm liegt es also ganz bestimmt nicht, dass die Luganesi ihren Ansprüchen hinterherhinken. Als sein designierter Nachfolger galt der Schwede Lars Johansson, Sportchef Roland Habisreutinger sagte unlängst, dass sie einen ausländischen Goalie verpflichten werden. Zwar war Johansson auch beim SC Bern im Gespräch, aber das Thema hat sich doppelt erledigt. Erstens hat der SCB auf den Abgang von Leonardo Genoni mit der Verpflichtung von Niklas Schlegel reagiert. Andererseits hat Johansson in der KHL bei ZSKA Moskau für zwei weitere Jahre unterschrieben. Der Lugano-Kronkandidat ist vergeben. Vor der Aussage von Habisreutinger, war Sandro Zurkirchen von Lausanne im Gespräch. Für ihn wäre es nach Ambrì das zweite Engagement im Tessin (gewesen). Ist er nach wie vor kein Thema oder hat sich die Lage mit der Wende um Johansson verändert? Ein anderer schwedischer Goalie, der für nächste Saison noch keinen Vertrag hat, ist Johan Gustafsson von Frölunda HC. Er weist in dieser Saison eine gute Abwehrquote von fast 92% auf. Vor zwei Jahren war er auf dem Weg zum Sieg in der Champions Hockey League herausragend. Lugano ist bekannt dafür, dass sie immer wieder Schweden ausgraben. Fredrik Pettersson kam über Lugano in die Liga und auch Linus Klasen drückte in seinen allerbesten Zeiten in Lugano der Liga den Stempel auf. Es würde also nicht verwundern, wenn der nächste Lugano-Goalie aus Schweden kommen würde, auch wenn er nicht Lars Johansson heissen wird.

Fakt ist, dass Lausanne nächste Saison drei Toptorhüter auf der Lohnliste hat. Neben Zurkirchen ist Luca Boltshauser bereits bei den Waadtländern und aus Zug kommt auch noch Tobias Stephan für drei Jahre. Klar, dass sie Zurkirchen oder Boltshauer mindestens ausleihen wollen. Neben Lugano hat ebenfalls der HC Davos noch die Goaliethematik zu lösen. Wie in der untenstehenden Tabelle zu sehen ist, haben sie momentan mit dem Schweden Anders Lindbäck und Gilles Senn zwei Torhüter unter Vertrag. Beide haben aber nur bis Ende der laufenden Saison einen gültigen Vertrag. Es ist kaum anzunehmen, dass sie mit Anders Lindbäck weiterfahren wollen. Bei Gilles Senn ist andererseits nicht zu erwarten, dass er sich wieder ins Davoser Tor stellen lässt. Ich kann mich zu gut an ein Interview am Deutschland Cup erinnern, wo man zwischen den Zeilen sehr gut seine Unzufriedenheit in Davos heraushörte. Senn dürfte durchaus ein anderes Team finden. Warum nicht der gute Back-Up hinter Lukas Flüeler beim ZSC? Dies scheint für mich eine sehr plausible Lösung zu sein. Für den HC Davos könnten ein Barry Brust oder der arbeitslose Dennis Saikkonen eine Option darstellen. Allerdings wäre dies etwas Neues. Nach Hiller, Genoni/Berra und Senn/Van Pottelberghe wäre es kein (ganz) -junger Torwart. Diese Philosophie mit den jungen Goalies hat Arno Del Curto etabliert, aber dann selbst über den Haufen geworfen. Das ist der Anfang seines Endes gewesen.

Goalies der NL Teams für die kommende Saison (Stand: 17.12.18)

HC Ambrì-Piotta

Benjamin Conz (fix)

Daniel Manzato (Vertrag 18/19 + Option)

SC Bern

Niklas Schlegel (fix)

Pascal Caminda (fix)

EHC Biel

Jonas Hiller (fix)

Elien Paupe (fix)

HC Davos

Anders Lindbäck (18/19)

Gilles Senn (18/19)

HC Fribourg-Gottéron

Reto Berra (fix)

Ludovic Waeber (fix)

HC Genf-Servette

Gauthier Descloux (fix)

Robert Mayer (fix)

HC Lausanne

Sandro Zurkirchen (fix)

Luca Boltshauser (fix)

Tobias Stephan (fix)

HC Lugano

Elvis Merzlikins (18/19)

Stefan Müller (fix)

SC Rapperswil-Jona Lakers

Melvin Nyffeler (fix)

Noel Bader (18/19)

SCL Tigers

Damiano Ciaccio (fix)

Ivars Punnenovs (fix)

ZSC Lions

Lukas Flüeler (fix)

EV Zug

Leonardo Genoni (fix)

Sandro Aeschlimann (18/19)

Die Prognose

Am Ende ist es denkbar, dass Lugano doch einen Schweizer Goalie engagiert und so vier ausländische Feldspieler einsetzen kann. Wenn, dann werden sie sich wohl bei Lausanne umschauen. Dort wird die Wahl zwischen Sandro Zurkirchen und Luca Boltshauser fallen. Tobias Stephan wird die Saison bei den Waadtländern beginnen. Zurkirchen hat aufgrund seiner etwas grösseren Erfahrung als Boltshauser die besseren Karten. Lugano darf und wird keine Experimente wagen. Sollte sich Lugano für einen Schweizer Goalie entscheiden, dürfte er aus Lausanne kommen. Lugano ist gerade jetzt sportlich schlicht attraktiver als Davos. Krass ausgedrückt muss Davos dann nehmen, was übrigbleibt. Aus meiner Sicht ist die beste Lösung dann Dennis Saikkonen. Er belastet das Ausländerkontingent nicht, was Brust tun würde. Dies ermöglicht es den Davosern, vier ausländische Feldspieler einzusetzen, was sie aus meiner Sicht brauchen. Die jungen Spieler brauchen Halt, Erfahrung und Orientierung. Dazu ist Saikkonen aus meiner Sicht nicht so schlecht, wie es die Statistiken vermuten lassen. Er bekam in den letzten Jahren schlicht zu wenige Möglichkeiten, um sein Potenzial unter Beweis zu stellen.

Die aufgestellten Thesen sind teils sehr steil, was es aber auch für mich spannend macht zu verfolgen, wie sich die drei (mit ZSC vier) Schauplätze entwickeln. Eine Entscheidung dürfte in den nächsten Wochen fallen. Das allesentscheidende Stück ist Elvis Merzlikins bzw. die Columbus Blue Jackets. Geht er definitiv, kommt alles ins Rollen. Es geht spannend weiter und getraut man sich einen Blick noch weiter voraus, beginnt das ganze Spiel von vorne. Jonas Hiller, Lukas Flüeler und Reto Berra brauchen nach der Saison 2019/20 neue Verträge…

Das Ambrì-Fieber und seine Nebenwirkungen

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