NHL Observer

Was ist los mit Juraj Slafkovsky? Das fragen sich alle, wenn man sich die Statistiken zu Gemüte führt. Also nicht die Advanced Stats, sondern nur jene, die vor allem die Punkteausbeute zeigt. Und diese fällt 2023/24 eher mager aus für einen ehemaligen Nummer-Eins-Draftpick in seiner zweiten NHL-Saison. Diese Statistik zeigt aber nur die halbe Wahrheit, denn bei den Montréal Canadiens ist man – trotz der hohen Erwartungshaltung - dennoch ziemlich zufrieden mit seiner Entwicklung.

Der NHL-Draft 2022 galt als „der Draft vor Connor Bedard“ und wurde von Expertenseite gemeinhin als der im Vergleich zu den Vorjahren und besonders hinsichtlich 2023 etwas schwächere Jahrgang gewertet. Nichtsdestotrotz wird die nahe Zukunft zeigen, wie die Top-Draftpicks 2022 sich entwickeln. Bisher darf festgestellt werden, dass nur eine Handvoll der Erstrunden-Drafts 2022 sich in der NHL etabliert haben und vielleicht deren drei oder vier zu echten Stammspielern wurden. Einer davon ist Juraj Slafkovsky, seines Zeichens der Nummer-Eins-Draftpick 2022. Wie bei allen Nummer Eins-Draftpicks sind die Erwartungen sehr hoch – auch bei diesem vermeintlich etwas schwächeren Draft-Jahrgang. Der Slowake erlebte einen vielversprechenden Saisonstart 2022/23 (zehn Skorerpunkte), aber dann kam nach 39 Partien die Hiobsbotschaft mit seiner Verletzung, welche das Saisonende bedeutete. Der 19-Jährige bestreitet also gewissermassen seine erste komplette Spielzeit. Und er hat eine erstaunliche Entwicklung durchgemacht, die nicht auf den ersten Blick mit Toren und Assists ersichtlich ist.

Ein klassischer Fall

Was den über 190 Zentimeter langen und knapp über 100 Kilo schweren Slafkovsky nämlich ausmacht, ist die rasche Adaption ans nordamerikanische Eishockey. In Europa einst als Top-Torschütze gefeiert, fällt er mittlerweile eher als physischer Powerforward auf, den man taktisch in fast jeder offensiven Situation und in jedem Sturmtrio einsetzen kann. Auch in der zweiten Powerplay-Formation ist er gesetzt. Zudem nutzt er seinen starken Handgelenkschuss öfter als in seiner abgekürzten Rookie-Saison. Was kritisiert werden könnte ist die mangelnde Effizienz. „Slaf“ erarbeitet sich viele Torchancen, skort jedoch selten. Viel Lob erntet er derweil bei den so genannten „Intangibles“, was in der Sportsprache so viel bedeutet wie nicht messbare, aber für das Team und die Teamchemie wichtige Werte. Bei „Slaf“ wären dies seine selbstkritische, aber dennoch optimistische Art, der Umgang mit den Medien und mit dem Erfolgsdruck und seine Lernbereitschaft. Seine Mitspieler sagen, dass „man sehr gerne mit ihm in einem Trio spiele“, weil er uneigennützig sei und viel arbeite, um gute Spielsituationen zu kreieren. Trotz seines Talents sei er bodenständig. Fazit: Alles in allem war man sich in Montréal bewusst, dass man keinen von einem Kaliber eines Connor Bedard gedraftet hat und es wohl noch zwei bis drei Jahre brauchen wird, bis Slafkovsky die Erwartungen vollends erfüllen wird. Was klar ist: Im Kaderaufbau der „Habs“ scheint er gut zu passen.

Bisher wenige mit Starpotenzial aus dem 2022er-Draft

Im Vergleich zu den anderen Erstrunden-Picks 2022 steht Slafkovsky im Übrigen auch nicht schlecht da. Würde man ein Ranking der bisher in der NHL erfolgreichsten Sophomores aus diesem Draft-Jahrgang erstellen, ist wohl Logan Cooley (Arizona Coyotes, Draft-Nummer-Drei 2022) ganz vorne anzutreffen. Auch der Offensivverteidiger Kevin Korchinski (Chicago Blackhawks, Nummer sieben), Pavel Mintyukov (Anaheim Ducks erste Runde als Nummer zehn) und Bostons Matthew Poitras (54. Position) können als Glücksgriffe bezeichnet werden. Chicago hatte, um beispielsweise Korchinsky zu bekommen, Alex DeBrincat in einem Tauschgeschäft mit den Ottawa Senators gehen lassen für einen Erstrunden-Draft (eben dieser Korchinsky), einen Zweitrunden-Draftpick (Paul Ludwinski) und einen Drittrunden-Draftpick 2024.

Noch nicht wirklich im NHL-Universum angekommen ist Shane Wright, der statt – wie von vielen erwartet - als Nummer Eins von Montréal schliesslich erst als Nummer vier von Seattle gewählt wurde. Der Center war im Juniorenhockey überragend, aber konnte bei den Seattle Kraken sich sowohl letzte Saison (acht Partien, zwei Punkte) wie auch heuer (bisher drei Spiele, keine Punkte) lnoch nicht als Stammspieler durchsetzen.

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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