NHL Observer

Nikita Kucherov sorgt immer wieder mit seinen Aussagen und Aktionen für Kritik. Er hat sich seinen schlechten Ruf verdient.

Der Star der Tampa Bay Lightning, Nikita Kucherov, ist einer der talentiertesten und komplettesten Spieler der NHL und eine Scoring-Maschine. Das ist unbestritten. Woran aber Nikita Kucherov eindeutig noch arbeiten muss, ist sein Verhaltensmuster. Er hat sich scheinbar nicht immer im Griff und hat sich am All-Star-Weekend 2024 in Toronto nicht zum ersten Mal einen Fauxpas geleistet. Sein Verhaltensmuster ist immer wieder Anlass für Polemik. Auch schon nach dem Stanley-Cup-Sieg 2021 gegen die Canadiens de Montréal fiel er unangenehm auf, als er mit nacktem Oberkörper an der Pressekonferenz einige dumme und abschätzige Bemerkungen in Richtung der Fans der „Habs“ absonderte. Das war, aus Sicht vieler, niveaulos und unnötig. In einem Moment der Freude und des Erfolgs gehört es in Nordamerika (und nicht nur dort) zum guten Ton, auch den Gegner, der ja auch etwas leisten musste, zu würdigen und zu respektieren. Und dies erst recht in einer offiziellen Pressekonferenz. Nichts ist einzuwenden gegen Freudentaumel und Witz, aber die „Habs Nation“ zu beleidigen (man sprach von „taunting“ und das ist verpönt) war dann doch zu viel des Schlechten.

Abgehoben und arrogant? Eines Vorbildes unwürdig

Nun hat sich Kucherov in Toronto – in einem Kernmarkt der NHL – ein Verhalten geleistet, was für noch grössere Empörung sorgte: Am All-Star-Weekend gab sich der Superstar betont unbeteiligt und provozierte die Fans mit einer übertriebenen Nonchalance und Attitüde. Und dies an einem Anlass, bei welchem sich die NHL-Stars von einer Einladung geehrt fühlen und die NHL an ihrem wichtigsten PR-Event repräsentieren sollten. Natürlich, er wurde von der „Leafs Nation“ schon zu Beginn ausgebuht. Es herrscht ja aufgrund der Playoff-Historie der letzten Jahre eine neue Rivalität zwischen Tampa Bay Lightning und den Toronto Maple Leafs. Und dennoch hat es ein solches Verhalten noch nie gegeben. Selbst seine NHL-Spielerkollegen rollten mit den Augen. Und dies war auf dem grossen Videowürfel und an allen TV- und Stream-Übertragungen deutlich zu sehen.

Schlag ins Gesicht für die Fans und für alle, die von einer NHL-Karriere träumen

Manche versuchten, sein Verhalten zu erklären und zu deuten. Fühlte er sich durch das ablehnende Verhalten der Fans im Stadion verletzt und wollte ihnen mit seinem Verhalten seine Meinung äussern? War er enttäuscht über die Mitteilung, dass beim künftigen 4-Nationen-Format Russland nicht dabei sein würde? Das alles ist aber keine Entschuldigung für einen Spieler, der Dutzende von Millionen verdient und auf die eine oder andere Weise auch die Liga und nicht zuletzt auch seinen Club repräsentiert. Selbst die Kucherov-Versteher finden wenig Argumente. In Kanada, wo Eishockey eine kulturelle Bedeutung hat und ganz genau registriert wird, wie dankbar die Spieler sind, sich mit diesem Sport den Lebensunterhalt verdienen dürfen. Da ist es nicht zu viel verlangt, sich als Vorbild zu zeigen. Und so wird Kucherovs Verhalten als Schlag ins Gesicht und als weltfremd und elitär empfunden.

Kucherov hat sich keinen Gefallen getan

Der bekannte Kolumnist Elliotte Friedman sagte nach dem Vorfall, dass dies auch Folgen nach sich ziehen könnte: Es bestünde die reale Möglichkeit, dass Kucherov bei den NHL-Auszeichnungen die Quittung erhalten könnte: „Auf dieser Grundlage sollte er nicht die Hart Trophy gewinnen‘“, so Friedman in einem populären NHL-Podcast. „Was machen Hart-Trophy-Gewinner? Sie gehen zum All-Star-Game und liefern eine Show ab, richtig?“ Interessant ist, dass Kucherov bereits schon einmal die mangelnde Aufmerksamkeit kritisierte, die ihm in dieser Saison für die Hart Trophy zuteilwurde. War sein Verhalten am All-Star-Weekend der NHL also sogar ein verklausulierter Protest? Viele in der NHL-Familie sagen nun, man werde ihn in Zukunft nicht noch einmal einladen. Fazit: „Schlecht gepokert, Russian Rifle...“

Joël Ch. Wuethrich publiziert wöchentlich Hintergrundberichte über die NHL in der führenden Deutschen Fachpublikation Eishockey News und hat ein ausgezeichnetes Beziehungsnetz in Nordamerika. Seit 1992 ist er Chefredaktor diverser namhafter Publikationen, unter anderem auch war er beim Slapshot sowie beim Top Hockey Chefredakteur und war zudem lange Jahre für den Spengler Cup strategisch in Marketing und PR sowie als Chefredaktor tätig. Joël Ch. Wuethrich leitet seit 1992 hauptberuflich eine crossmedial aufgestellte PR-Agentur und eine Player's Management Agentur (Sportagon), ist Crossmedia-Stratege und HF-Dozent mit Lehrauftrag für Kommunikation und Marketing. Er analysiert seit 30 Jahren als Autor/Chefredakteur in der Schweiz, Deutschland sowie in Kanada die NHL und beobachtet das Eishockeygeschehen weltweit intensiv. Der Familienvater (zwei Kinder) arbeitet in der Schweiz und in Montréal, wo ein grosser Teil seiner Verwandtschaft wohnt.

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